Ankunft in Bangalore

Jeder, der schon mal in Indien war kennt es, für uns war das neu: DAS Einreiseformular, ohne das man NICHT den Flughafen verlassen kann. Unfähig die Buchstaben überhaupt richtig herum zu schreiben füllt man nach dem langen Flug aus: Name, Geburtsdatum, Passnummer, Ausstellungsdatum und auch wann dieser abläuft, Visum: wann ausgestellt, wie lange gültig, äh war man schon mal in Pakistan? Überhaupt: wohin will man denn genau hingehen…? Und was bitte ist der Grund der Indienreise: Religion, geschäftlich oder „nur“ Urlaub? Ach, und wenn auch „nur“ Urlaub: Wohin geht man? Also nicht wohin „möchte“ man sondern WOHIN GENAU geht man. „Äh, das wissen noch nicht.“ Das geht nicht, denn ausgefüllt muss sein: die GENAUE Adresse UND die Telefonnummer. Puh. So, macht Euch gerne schon mal Notitzen wenn ihr vorhabt mal nach Indien einreisen! Dann gehen wir zur Passkontrolle. Das Formular muss vollständig ausgefüllt sein. PUNKT. WENN es ausgefüllt IST darf man weitergehen. Wir dürfen weiter, nachdem ich hie und da einfach irgendwas draufgeschrieben hab´.  Dann weiter zu den beiden streng schauenden Sicherheitsmännern in Uniform. Das Formular vorzeigen, ein Teil davon abreisen lassen und weiter zum dritten Stop: Sicherheitscheck, strenger Blick. Mann in Uniform auf jeder Seite. Vage frage ich mich, ob sich Indien im Kriegszustand befindet und ich nur nichts davon mitbekommen habe…? STOP. STEHENBLEIBEN! Das restliche Formular abgeben. Und jetzt? War´s das? Einfach so den Rest des Formulares abgeben? Wo landet das denn jetzt? Hallo? Wofür war das jetzt gut…? Egal, Gepäck abholen, die weiteren Sicherheitsbeamten nicht beachtend in die Halle gehen. Herzklopfen, poch, poch. Gleich sind wir „draußen“ ahhhh…ich bin ja nun soooo aufgeregt !!! Hüpf !!! Gleich, gleich !!!

Nein, nicht gleich, aber FAST. Fast wäre ich gleich draussen gewesen. FAST. Denn nun erst mal hinsitzen. „Wie….?“ Ungläubig anfrag: „Du magst Dich JETZT hinsetzen? Nicht JETZT endlich rausgehen? Die Luft spüren? Die indische Erde fühlen? Endlich das Land spüren? Rupies tauschen, Taxi organisieren und in die Stadt fahren…?“ „Nein, Sian, erst mal hinsetzen, der Rücken.“ „Und hast Du Dich denn nicht gefragt, wohin wir gehen? Wir haben keine Anlaufstelle.“ Na gut. Runterfahr. Nachdenken ist wohl angesagt. Und hinsitzen. Und warten. Und aushalten. Geduld. Der Lohn von Geduld? Genau: Geduld. Und ja- stimmt auch wieder: Wissen wir eben noch gar nicht, wo wir hingehen, denn ich würde jetzt weiterfahren und Guido mag erst mal schlafen. Verständlich. Und wenn schlafen wo.  Und ja, stimmt, es ist nichts organisiert. Hm, trab also wiederwillig hinterher zu den Liegesitzen. Die Rucksäcke wieder herunternehmen. So schön zugeschnürt doch nun wieder abschnallen. Gegenseitig wieder abnehmen, zuvor die schweren Taschen runternehmen. Dann auf die Liegesitze sitzen. „Wie unbequem.“ sage ich. „Nein, sie sind sehr bequem.“ sagt Guido. Ok, für den einen bequem, für den anderen nicht. Oh je, wie unbequem. Nichts sage ich mehr. Und ich versuche zu sitzen.  – „Ähm….wie lange….noch…?“ Ich merke, dass ich viel zu aufgeregt bin um noch länger ruhig sitzen zu können und zapple hin und her. „Ich brauche noch Zeit. Schau doch Du in der Zwischenzeit, wohin wir gehen könnten!“ Ja, gute Idee. Buch aufschlage, Bangalore, Stadtplan suche, alle Übernachtungstips durchlese. Hm, sooo viel Auswahl gibt´s auch wieder nicht, aber hier: „Bezahlbares Hotel. Vegetarisches Restaurant.“ Na, das ist ja genial! Ein vegetarisches Restaurant! Ich sehe bereits leckes Gemüse, Curry, Reis und Gewürztee. hm…. Lese dann weiter: „Saubere Zimmer“ ah schön, das ist ja wohl immer gut! „in Parknähe“. Na DAS klingt doch ebenfalls super: in Parknähe! Ich denke an Parknähe, also laufnähe und sehe deutsche Park´s mit gemähtem Rasen, kunstvollen Blumenbeeten, schönen Sitzbänken zum Verweilen vor mir… Erholung pur, wie SCHÖN und dann steht da auch noch „Churchstreet“ das ist nicht weit und klingt ja toll, so Kirche, Jesus, Maria… bei diesem Hotel sind alle Punkte „abgedeckt“. „Klingt doch super, in allen Punkten. Findest Du nicht auch?“ „Klingt gut.“  –  „Also…. nehmen wir?“  „Erst mal alles andere auch lesen.“ Wie…. alles andere bereits angedeutet gehabt und puntuell vorgelesen. Aber gerne alles auch nochmal in Gänze vorlese. Alles vorlesen. Schweigen.  „Was jetzt?“ Nochmal lesen. – Nachdenken. – Ja sag mal, bin ich zu ungeduldig?

Wie einigen uns, es anschauen zu gehen. Schön! Subi! Los geht´s! Nein, langsam. Ah jeh, jetzt ist fertig mit Geduld spüre ich, denn ICH kann nun echt auch nicht mehr !!! Aufsteh. Rucksack aufsetz, Tasche umschnall, Hand auf den Oberbauch press, das is´aber voll schwer das viele Gepäck, ah jeh! Aua. Egal, da kann man Rupies tauschen, da das Taxi organisieren. Mei, ich sag´s Euch, das DAUERT. Dann aber ist es soweit: Ich mache die Tür auf und fühle sogleich den warmen Wind, sehe die Palmen im Wind schaukeln sehe den Himmel, die Taxi´s….-Und? Wie fühlt es sich „draußen“ an? Wie ist die Luft? Wie fühlt sich die Erde an, das Land? Wie ist der erste Eindruck? Wundervoll. Ich fühle mich wohl und finde es wunderschön, wie die Vögel singen, wie sich die Luft anfühlt…..es ist warm, aber nicht heiss. Die Luft liebkost meine Haut und streichelt durch meine Haare. Es ist sehr sanft. Angenehm. Es weht ein leichter Wind. Er ist warm. Ähnlich wie in Teneriffe aber ohne Meer und ohne Vulkan. So warm wie in Dubai in der Nacht ist´s aber auch wieder nicht. Ah wie klasse, ich bin DA DA DA, TATSÄCHLICH DA DA DA. Ich FÜHLE es, endlich. Juhu! Ich freu mich so und könnte laut rufen JUHU ich bin DADADADADA !!!! Von wegen umfallen vor Hitze! HA! „Es ist schwül.“ sagt Guido „wie im Schwimmbad.“

Der Taxifahrer packt das ganze Gepäck in das Taxi hinein. Guido sagt nochmal, wohin wir gehen und lässt durchscheinen, dass wir nur mit Taxometer fahren und auch wissen, was es kostet. Ich freue mich, dass er das macht und JA, wir hatten am Stand VORHER wegen dem Preis gefragt. Wir denken an Dich liebe Miriam und an das, was Du uns über die Taxifahrer sagtest falls Du diese Zeilen hier liest. Im klimatisierten Innenraum fahren wir Richtung Stadt. „Kann ja nicht soooo weit“ sein denke ich. Hm, von wegen! Aber nun erst mal vorbei an dem Flughafengelände. Wie schön angelegt alles hier ist! Mit Blumenbeeten, Rasen, Palmen, Sitzbänken. So gepflegt und sauber. „Das wird schön in der Stadt.“ denke ich. „Den Puls einer indischen Stadt fühlen, auf den Bürgersteigen flarnieren, kleine Lädchen betreten, in einer Teestube mit indischer Musik sitzen…ach schön, dass wir ein oder zwei Tage Erholung vor der Weiterreise haben, das war doch eine gute Idee! Immer wieder muss der Taxifaher ganz langsam fahren denn nicht EINE Strassensperre, sondern Wellen aus lauter Strassensperren sind auf der Strasse. Das Fahrzeug ächtzt, ich spüre die Stahlfeder auf dem bereits die besten Tage hinter sich gelassenem und daher (total) duchgesessenen Sitz. Nun, das ist eben so, doch heh, wie aufregend! Nach vielen Strassensperrenwellen und Stahlfederspüren im Gesäß dann ein Häuschen mit einer Zahlstube. Dahinter ist dann aber fertig mit der „guten“ Strasse. Schlaglöcher, so groß und tief wie huch, weiß nicht wie groß, GROSS eben! Besser irgendwo festhalten. Hauptsache nicht laufen oder wie hier: Bus fahern. denn was sind denn das für Sträflingsbusse, die da neben uns fahren? Sind die vergittert oder sieht das nur so aus…??? Aus den Fenstern hängen Menschen und schauen in das Taxi. Ein Bus nach dem anderen taucht auf und alle sind so vollgestopft, dass ich denke: wie können denn da alle Platz haben…? Entsetzt schaue ich auf die (sind das jetzt Gitter?) und auf die dreckigen Fenster, die stumpfen, abgeblätterten Farben der Busse und bleibe mit meiner Aufmerksamkeit dann an den schwarzen Abgasewolken hängen. Boah, wie krass! Huch, Schlagloch, schnell mal eben festhalten.

Motorradfahrer durch die Abgaswolken sehe. Fahrer mit Helm, der Beifahrer ohne. Ah, hat er vergessen? Hm, das nächste Moped ist ebenso beladen. Helmpflicht in Indien nur für Fahrer? Oh, was ist denn das, da sitzt, ebenfalls ohne Helm und im Damensitz eine Frau mit Sari. An den Füßen Schläpchen. Du lieber Himmel, Schläppchen! Und wie kann sie sich da bei einem Aufprall schützend festhalten? „Gar nicht Sian.“  Und da sitzt noch ein kleines Kind dazwischen, schau mal! Weder die Mama noch das Kind haben einen Helm auf. Ich schaue auf die dünnen nackten Beinchen des Kindes. Soooo nah beim Auspuff! Ohje, ich bin entsetzt. Doch das ist wohl noch gar nichts. Es folgen zwei Männer mit Übergepäck und der Fahrer hat lediglich eine Hand am Lenker denn mit der anderen- äh seh ich richtig? telefoniert er. Eine Ausnahme? Nein. Die Regel. Im Auto der Fahrer nebenan hat auch ein Handy am Ohr. Ja sag mal, was ist denn hier los. Festhalten, Schlagloch. Huuup.Huuup. Warum hupt denn hier jeder?

Viele Menschen. VIELE. Ochsenkarren ohne Ochsen. Die Menschen schieben sie. Spielende Kinder mitten im Staub und Dreck. Frauen in bunten Saris. Mit rießigen Holzbündeln auf dem Kopf. Oder mit Schalen, die sie vollladen mit Steinen. Oder mit Krügen. Ah herjeh, das sieht alles so richtig schwer aus, warum tragen das denn nicht die Männer? Weil diese am Rand sitzen. Ah so. Bemalte Wände aus Beton. Wellblechhütten. Bananblätterhütten. Mit zig Menschen davor. Ein Tempel, gar nicht so schön wie im Prospekt. Es sieht hier ja alles so schmutzig aus. Aber das immer noch nichts gegen die Bauruinen im Abgasdunst. Wie Karies in Zähnen. Und ich kann es gar nicht fassen: Bergeweise Müll, Unrat, Abfall. Nicht nur hi und da. Nein, überall! An allen Rändern! Und nicht nur ein bisschen, nein, es ist richtig viel! Davor und obendrauf (mei, wie kann man da auf den Müllbergen stehen !!) dünne Kühe und noch dünnere Hunde, wo man die Rippen schon sieht. Sie alle suchen wohl nach Essbarem. Du lieber Himmel, nicht „nur“ Kühe oder Hunde (sicher auch Ratten) da wühlen ja auch Menschen! Die Frau auf dem Moped neben uns lächelt uns an. Sie hat eine Tüte mit Trinken am Mund. Es ist wohl leer, denn sie wirft es auf die Strasse. Der Fahrer unterdessen rotzt aus. Menschen überqueren die Strasse bei laufenden Verkehr. Man hupt, telefoniert, spuckt aus, redet miteinander, hupt und überholt. Der Faher kurbelt das Fenster runter. Die Luft ist nun stickig und heiss. Es riecht nach Schweiss, Urin, Kot, altem Müll und Abgasen. Er fährt uns zum falschen Hotel. Dann ist er total sauer, dass wir es nicht nehmen und lässt zur Strafe das Fenster offen. Der Gestank erschlägt mich fast.

Das Hotel sieht von außen schrecklich aus. Von innen ebenso. Ah herrjeh der Fahrstuhl ist wohl auch aus einem anderen Jahrhundert…? Wir dürfen ein Zimmer sehen. Es macht einen guten Eindruck, aber ich bin dennoch geschockt über die dreckigen Badvorleger, der Dunkelheit im Raum, den vielen schwarzschimmeligen Stellen im Bad und dem Lärm von der Strasse. Wir sagen dennoch zu. Wir sind total geplättet. Guido geht nach unten und checkt uns ein. Ich hätte es nicht machen können. Ich stehe wie angewurzelt. Ich weine, als ich alleine bin vor Schock. Dann rufe ich Erzengel Mi´Chael auf. Als Guido kommt stehe ich daher immer noch an der gleichen Stelle. Dann krame ich im Rucksack nach meinem Auraspray Erdung und sprühe auch Maria hilf. Ah wie gut, dass ich die mitgenommen habe! Das Notfallset dabeizuhaben ist doch immer gut! Dann packe ich die Wesen aus, stelle sie vorsichtig auf das Nachttischchen und gehe duschen. Ich kann sogar Zähne putzen, denn Guido hat nebenan Wasser gekauft. In Flaschen. Mit Deckel zu. Die Zähne putze ich NICHT mit dem Leitungswasser, oh nein, sondern mit Wasser aus der Flasche. Das Wasser ist nicht heiss, es KOCHT. Ich freue mich über das heisse Wasser und genieße die Dusche. Dann falle ich ins Bett. An der Decke ist ein Ventilator. „Der gleiche wie der im Traum.“ denke ich noch bevor ich einschlafe.

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