Karfreitagabend. Monsumartiger Regen überschwemmt Bangalore

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Sai Baba, verkündet außgerechnet am KARFREITAG seinen Tod? Ich bin am zittern, frieren und Nierenschmerzen spüren. Was tun, nach solch einer Ansage? Ich fühle mich hilflos und bin furchbar taurig.  NEIN! Ich will das nicht – wahrhaben. Sicher war das nur eine Illusion….“Ah so ist das, Sian.“ sagt Dim-Hie-Trie. „Denkst Du nun als Mensch? Niemand mag gerne solch ein helles Licht „verlieren“, doch sag: Was fühlst Du wirklich?“ Ich fühle in mich. Drinnen ist es ruhig. Draußen tobt der Orkan. Ich höre Gebete. Es wird gesungen. Es sind Mantren. Ich sehe Menschen. In weißen Gewändern, mit der blauen Schärpe. Mit dem Goldmedallion am Hals. Ich sehe Frauen. In Saris. Immer mehr Menschen. Sie strömen von überall her. Es sind – oh, Tausende Menschen. Es ist schwülheiss. Fliegen summen in der Luft. Ein Ventilator kreist an der Decke. „Tiefer in Dich.“ sagt Dim-Hie-Trie. Was? NOCH tiefer? Ich spüre dicke und dünne Schläuche, die ihn mir stecken. Sie sind mit Pflasterband fixiert. Ich kann es fühlen. Ich höre den Laut von Maschienen. Sie sind mit meinem Körper verbunden. Das Atmen fällt mir wahnsinnig schwer. Oder werde ich beatmet? Ich habe das Gefühl von bleierner Schwere, die auf meinem Körper lastet. Mein Herz, wie kann es so schlagen? Wer beschlägt es? Hält es in Gang? Jegliche Leichtigkeit scheint außerhalb von mir zu sein. Ich fühle, dass ich gealtert bin. Es ist ganz anders als vorhin. Warum bin ich so alt? Ich erinnere mich an meine Jugend. Doch ich bin- ein Mann! Ich strotze vor Kraft. Mein Haar ist unbändbar. Das Leben – es liegt noch vor mir. Ich genieße, in vollen Zügen und bin soooo relaxt. Dann tut wieder alles grauenvoll weh. Meine Lunge. Meine Nieren. Sie scheinen nicht zu funktionieren. Ich fühle meine Beine nicht. Oh mein GOTT, was ist das denn !!!!

„Alles gut Sian.“ beruhigt mich Dim-Hie-Trie. „Du spürst Sai Baba. Jetzt, wo Du doch mit ihm verbunden bist.“ Ich kann fast nicht laufen, mein Herz pumpt wie verrückt. Meine Beine, was ist nur mit denen, ich spüre sie fast nicht. Ich versuche mich abzulenken und schaue daher in den Himmel. Oh, das wird ja immer dunkler da droben!  „Mit Dir kommt der Regen.“ sagt Sai Baba.

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Ich bin gerade sehr versunken, als ich wie weit in der Ferne Menschen hellauf erregt schreien höre. Männer rennen weg. Etwas hat sie aufgeschreckt. Trillerpfeiffen gellen wie Warnrufe durch das Dunkel der Wolken. Sicherheitsmänner, oder sind es Polizisten? halten mit erhobenen Händen Schlagstöcke. Guido sagt, dass einige Gewehre tragen. Wie er das meinen würde. Gewehre? Hier? Ja wie jetzt. Wo? „Da vorne!“ Er zeigt es mir. Oh, ich hatte das erst gar nicht mitbekommen und bin nun hellwach. Was ist da nur los? Wir wissen es nicht, verstehen ja kein Hindi, aber es sieht so aus, als wäre etwas im See. Hu, bin ja grad froh, dass wir nicht auf die Insel sind, wo ich mir doch sogar überlegt hatte, einfach drüberzusteigen…gut dass mich Guido davon abgehalten hat….wir laufen an den Ausgang. Genug Lalbagh jetzt. der Himmel ist nun ganz schwarz. Wir haben Durst und nichts mehr zu trinken. Hach, am liebsten hätt´ ich jetzt gern´ einen von diesen Mangosäften. Eisgekühlt. Hm, das wäre jetzt fein!

Gerade schaffen wir es noch bis zum Glashaus, als es richtig heftig zu regnen beginnt. Menschen stömen von überall ins Glashaus herrein. Ein Mann steht oben und hat einen Karton in der Hand. Bei genauerem Betrachten, (achten, ha, also drauf achten) sehe ich, dass da „Magosaft“ auf englisch drauf steht. OH, wenn er DAS jetzt auch noch verkaufen würde denke ich so bei mir …. und sehe, er verkauft sie …und JAJAJA…!!!… wie kaufen zwei, na KLAR!!! Wie klasse ist das denn! Beim Anfassen spüre ich, dass sie gekühlt sind. Wie hat er DAS Kunstwerk nur geschafft…? Oh wie lecker, so gut hat noch KEIN Mangosaft geschmeckt!

Zuerst finden wir´s lustig, hach ein bisschen Regen! Die Stimmung im Glashaus ist entspannt. Wir sitzen in der rechten hinteren Ecke des Glashauses auf einer Holzdiele. Bis der Wind den Regen herreinweht. Dann stehen wir eine Weile im hinteren Mittelgang und beobachten die Menschen. Wir lachen, scherzen und haben es richtig nett miteinander. Ich bin glücklich. Am Boden bilden sich Pfützen. Hm, woher die wohl kommen..? Wir schauen nach oben, Glasdach. Wie kann´s denn da hinein regnen? Durch die Schraublöcher, gugg mal! Ja haha. Lustig. So stehen wir mal hi, mal da, lachen, scherzen, es ist total schön, so da stehen, zwischen all den Menschen. Doch am Boden bilden sich immer mehr Pfützen. Vorne müssen die Menschen schon weichen, da die Strasse bereits so voll mit Wasser ist dass es bereits in Strömen die Treppe herunterfließt. Bald wird im Glashaus der ganze Boden überschwemmt sein. Autos fahren an, Menschen rennen hin, Gehupe, Chaos. Die Kinder werden unruhig. Ich beginne, mit den Wolken zu sprechen. Singe ihnen das „Es lichtet sich und der blaue Himmel kommt duch“ Lied in der Elbensprache vor. Doch sie lassen nicht mit sich reden. Im Gegenteil, sie erwiedern schroff: „JETZT REGNET ES.“ Boah, wie resolut sind die denn hier in Indien! Ich werde also resoluter, doch die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Es regnet noch mehr. Krass. Also da ist nichts zu machen. Es wird mir erst jetzt klar, dass es nicht aufhören wird zu regnen. Wir sehen, dass es langsam schwierig wird, noch länger hier zu bleiben und beschließen daher, hinauszulaufen. Ich find´s total lustig, so durch den Regen laufen, die Pfützen…zu spüren, wie ich erst trocken bin und binnen zwei Sekunden total durchnässt werde. Doch dann versinke ich inmitten der Strasse in ein Loch. Das Wasser reicht mir fast bis zur Kniekehle. HUCH. Überall stehen Menschen und wissen nicht wohin. Eine ernste Sache, ist nicht lustig. Doch immer noch find´ ich s  wie in einem Abendteuerfilm, nur „live“ und lache weiterhin. Doch Guido findet es nicht mehr lustig. Ihm ist total kalt und ihn nervt mein….ich entschuldige mich. Sehe: Er hat ganz bleiche Lippen und zittert am ganzen Körper. Dann stößt er sich auch noch an den Wurzeln unter dem Blütendach den Kopf an. Auah! Ich empfinde den Schmerz wie als hätte ich mich gestoßen und mag ihn trösten. Ich strecke meine Hand aus und berühre ihn, was ich besser hätte lassen sollen, da ja alles am Körper klebt. Ich erschrecke bis ins Mark über das heftige anbarschen. HUCH, das ist mir noch nie passiert, ich kann es gar nicht einordnen. „NICHT ANFASSEN !!! “ Ist es eklig, wenn ich berühre? Oh heftig, so fühlt sich das also an.  „Nur anschauen.“ Ah, ok. Was war das? So heftig. Kindheitstrauma? Warum wird das als schrecklich empfunden? So, nasse Klamotten auf der Haut? Nichts anfassen dürfen? Nicht geliebt werden? Man, was ist DAS denn jetzt, was macht das mit mir. Abgelehnt werden? Ist es das? Ich bin wieder ganz versunken und bekomme daher die Kälte, die in mich kriecht gar nicht mit. Das Verhalten seinerseits mir erklärend registriere ich zwar dankend, aber es dringt nicht so recht in mich vor.  Ich habe mich zu sehr erschrocken. Wir steh´n im Regen. Und ich fühle lange die Kälte nicht. Bis ich sie spüre, ist sie schon in den Knochen, ein schreckliches Gefühl.

Der erste Rigschafahrer lässt uns ein wenig sitzen. Er sagt, dass noch nie so früh der Monsum eingesetzt häbe, einen Monat vorraus und dass es nun nicht mehr aufhören wird zu regnen. Der nächste Fahrer, den wir anhalten verlangt einen unverschämt hohen Preis. Ich bin nicht berreit, das zu zahlen und er fährt weiter…..das sorgt für Ärger. Der nächste Fahrer, der bereit ist uns mitzunehmen nützt es ebenfalls voll aus, dass wir so frieren und verlangt von vornerein das dreifache von dem, was wir heute morgen bezahlt hatten. Um weiteren Ärger zu vermeiden schweige ich aber nun. Wir steigen ein. Der Fahrer ist mir total unsympatisch. Seine Ausstrahlung lässt sogar meine Nackenhaare aufstellen, ein seltenes Phänomen. Ich bin in höchster Alarmbereitschaft. Er fährt eine andere Strecke. Vorbei an dunklen Häusern, wo schattenhafte Gestalten huschen. Überall sind riessige Pfützen auf den Strassen. Dann fährt er in eine Strasse, wo massenhaft Autos, Mopeds und Rigscha´s stehen. Es gibt kein Weiterkommen, denn die Strasse ist unterspült. In der Mitte schwimmt ein weisses Auto, man sieht nur noch das Dach. Wir beide haben das Gefühl, in einem Horrorstreifen zu sein. Das kann man sich gar nicht vorstellen, es ist echt wie in einem schlechten Alptraum. Nur eben live. Er fährt Gasse nach Gasse. Eine dunkler als die andere- Die Hauptstrasse ist in einer Senke ebenfalls komplettt unterspült. In einer noch dunkleren Seitenstrasse, bei einem Grabmalverkäufer, bleibt er stehen und lässt uns alleine in der Rigscha zurück. Neben der Gasse verläuft der Fluss. Er ist ein reissender STROM geworden, wo im schlammigen Wasser haufenweise Müll schwimmt. Diese Gasse ist so ganz der blanke Horror und die dunklen Gestalten regen meine Phantasie an. Ich sehe uns schon ausgeraubt und zusammengeschlagen hier in einer Ecke liegen….ich will daher aussteigen…doch dann geht es weiter. Vorbei an entsetzten Menschen, überspülten Strassen, wo Autoreifen, Plastikmüll und Bananenschalen schwimmen. Nach schier endlos lang erscheinender Fahrt kommt der Tower. Ich registriere: Wir sind da! Wir sind ja soooo erleichtert. Wir danken dem Fahrer. Er dreht sich rum, seine Augen taxieren uns. Er macht sie zu Schlitzen und er sagt, dass er 100 Rupies mehr haben will. Wir sind verunsichert. Sagen freundlich, was abgemacht war und dass es bereits das Dreifache war….doch dann erhebt er drohend seine Hand, die Augen funkeln dunkel. 100 Rupis mehr als abgemacht will er noch zusätzlich haben. BASTA. GIB MIR. Wir sind vor den Kopf gestoßen. Ich traue ihm zu, dass er zuschlägt und will nur noch abhauen. Wir beschliessen auszusteigen und zu geben, was abgemacht war. Doch der Fahrer wird immer lauter. Während Guido ruhig spricht webe ich ein Unsichtbarnetz, klettere über die Absperrung auf der rechten Seite und stehe daher „plötzlich“ neben der Rigscha. Darüber ist so verdattert, dass er mit offenen Mund das abgemachte Geld von Guido annimmt. Eine weitere Salve böser Worte lassen wir über uns ergehen und laufen mit sicherem Schritt hinein in „unser“ Hotel. Ob er uns verfolgt? Lieber mal nicht umdrehen. Nur weiterlaufen. Aber mit Herzklopfen. Erleichterung pur, das „drinnensein“. Die Dusche, sonst immer so heiss, dass man Eier hätte kochen könnten ist heute mal nur lauwarm. Huh, das ist SOO kalt. BRRR, ich zittere voll. Aber immerhin sind wir im sicheren Hotelzimmer. Draußen tobt derweil der Regen. Bangalore versinkt im Regen. Es wird komplett überschwemmt.

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