23. April. Church Street

Noch lange sind die Aufregung und das Chaos von draußen zu spüren und zu hören. Neben dem gewohnten Oberbauchschmerzen habe ich nun noch mit dieser Schwere, dem Alter und den Nierenschmerzen zu kämpfen und so ist mir der verlässliche Ruf des Muizin Beruhigung und Trost zugleich. Dann, nach vielen Stunden verebbt der Regen allmählich und Ruhe kehrt ein. Schon früh am Morgen scheint munter die Sonne und trocktet fleissig die nassen Häuser und Strassen. Was tun heute? Noch ein Tag Entspannen und dann überlegen, wie es weitergeht. Was könnten wir heute tun? Ich hab Lust, die Church Street anzuschauen und Du? Ja, klingt doch gut. Ich mag so gerne schauen, ob es eine Marienkapelle oder so etwas da gibt. Ich mag so gerne beten gehen. Die Naturwesen schauen entsetzt. Wie, schon wieder rausgehen? Also darauf haben sie keine Lust, wer weiß was heute wieder ist. „Nein, danke der Nachfage. Wir wollen heute mal lieber im Haus bleiben.“ Das war ihnen wohl too much. Verstehe. „Von der Art her bin ich ja immerhin ein Hauszwerg.“ trumpft Geramain noch auf. Jö, was hab ich ihm da zugemutet. „Und das Baby braucht Ruhe!“ sagt er noch hinterher. Oh, das Baby! Ja!- „Ich bin kein Baby mehr“ quäkt das Baby und versucht in seinem Körperkleidchen zu stehen. Hui, wie lustig das ausschaut! Ich nehme es hoch und herze es, was es zum Lachen bringt, da meine Haare so kitzeln. Die beiden lassen sich mit Keksen und Auraspray eindecken und winken munter zum Abschied. „Viel Spaaas“ trällern sie uns nach, als wir wie üblich bepackt das Zimmer verlassen. Wie üblich mit unseren prall gefüllten (und schweren) Taschen, in denen wir wieder so allerlei drinne haben, was man so im Notfall alles brauchen würde/könnte. Ich habe bereits rote Scheuerstellen an den Schultern vom Tragegurt, aber was tut man nicht alles, ich liebe ja schließlich meine Tasche und selber laufen kann sie ja nicht. Also trage ich sie eben. „Tschüüüüß“ rufen die beiden. Dann rein in den Fahrstuhl, nach unten fahren, ins Foyer zum…ja, genau. Er steht auf, wie gewohnt. Und das ist er, so sieht er aus. Darf ich ihn Euch vorstellen:

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Sonst lacht er, aber so ein Foto ist eine ernste Angelegenheit, ja. In der Zeitung waren der Überschwemmung zwei volle Seiten gewidmet. Bilder von dem Chaos auf den Strassen, angespannte Gesichter, Menschen, die versuchen ihr Hab und Gut zu retten. Der blanke HORROR. Also was wird uns draussen erwarten? Wie gehen hinaus – und ein atemberaubendes Erlebniss empfängt uns. Die sonst abgasgeschwängerte Luft ist heute brilliant. Nicht der kleinste Staubpartikel wirbelt durch die Luft. Die Strassen, sonst staubig und voller Müll, sind heute blitzeblank. Oh wie schön sich das anfühlt. Heute atmen Bangalores Bewohner und Besucher reine, saubere Luft ein, zumindest solange, bis der Abgasdunst die Luft erneut beschwert. Hm, noch einen tiefen Atemzug nehmen. WOW. Und schauen, solange es so ist. Schön, einfach schön. Alles glänzt!

Wir laufen zur Church Street. Das ist gar nicht mal so einfach, wenn es keine Strassenschilder gibt, aber ja, wir finden sie dennoch. Und wir finden auch eine Kirche. Rechts davor steht, behütet von diesen wundersamen ausladenden indischen Bäumen eine weisse Marienstatue mit einem Opferstock davor. Ich bin überglücklich und danke, danke, danke Maria. So eine schöne Marienpräsenz ist hier, ich mag am liebsten den ganzen Tag einfach nur hier sitzenbleiben und in der Stimmung weilen. Ich bestaune dieses wundersame  Kleinod. Mein Herz ist ganz weit. Das Antzlitz der Marienstatue ist lichtvoll, fein und weich. So sieht also die indische Version einer Marienstatue aus. Die Stimmung ist wundervoll, die Luft ist voller Flirren und Licht:

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Dann gehen wir rüber zur Kirche und da wir nicht wissen, ob man, wie in einem Tempel üblich, auch bei einem Kirchenbesuch ebenfalls die Schuhe auszieht,  ziehen wir also brav die Schuhe vor der Kirche aus. Man kann ja nie wissen. Drinnen ist es warm und Männer sitzen in den Reihen zum beten. Dahinter gibt es noch einen Raum, in diesen gehen wir hinein und setzen uns hin. Die indische Version einer Kirche ist ebenfalls ganz anders als ich es gewohnt bin. So ist also schon alles üblich an seinem Platz, aber die Energie ist eine andere. Also schon SEHR ungewohnt. GANZ anders! Es fühlt sich ganz anders an als bei uns. Dann kommt eine Nonne (oh, eine „richtige“ Nonne !!! FREU!!!) herrein. Ich sitze da, staune, bete und spüre, wie glücklich es mich macht, dass ich das erleben darf, wie es sich in einem anderen Land anfühlt, wie da das Christentum gelebt wird! Einfach nur SCHÖN. SCHÖN. SCHÖN.

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Ach ja: p.s: wir waren die einzigsten, die ohne Schuhe in der Kirche saßen.

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