Begegnung mit dem Tod. Die Nacht auf Ostersonntag. 8 Uhr Ortszeit. Sai Baba stirbt.

Südindien. Halb acht abends ist es bereits stockfinster. Es hat wieder zu regnen angefangen. Die Rigschafahrt ist daher sehr teuer. Es ist anstrengend, dieses Ausnutzen aber für das Aushandeln eines Preises haben wir keinen Nerv. Nach dem, was gestern war, die Überschwemmung von Bangalore, die Nässe und Kälte, das alles steckt noch als Erinnerung in den Knochen fest. Schnell „heim“ ins Hotel, welches wir bereits total lieb gewonnen haben. „Unsere“ kleine Oase. Die Naturwesen, entspannt auf dem Nachttischchen stehend trällen ein erholtes  „Hallo“ im Chor. Sie lassen sich alles erzählen und bereuen ein wenig, nicht mitgekommen zu sein. Wir gehen früh schlafen. Dann, mitten in der Nacht wache ich auf. Mir ist total übel und mein Oberbauch fühlt sich sehr druckempfindlich an. Der Ventilator ist aus. Im Zimmer ist es schwülheiss. Ich will den Ventilator anmachen und merke, dass ich das nicht schaffe, weil ich meine Beine nicht mehr spüre. Auch aufstehen geht nicht. Mein Eindruck, es käme vom Rücken wird abgelöst durch das Empfinden, meine Verbindung zur Erde sei aufgehoben. Ich atme und versuche mich zu entspannen. Sai Baba. Es geht ihm wohl nicht gut? Vieleicht ein wenig frische Luft schnappen? Irgendwie schaffe ich es zum Fenster. Die Luft ist feucht vom Regen, doch heute rieche ich den Abgasdunst und mir wird noch schlechter. Auf allen Vieren krieche ich ins Bad. Dieser seltsame Geruch im Bad ist nun noch stärker. Mir wird nun so übel, dass ich mich übergeben muss. Ach jeh, mag ich gar nicht sowas. Am liebsten mag ich duschen, aber dann schleiche ich mich wieder ins Bett, ich bin ja nicht alleine und will niemanden wecken. Mein Atem geht schwer, der Rücken, der Bauch, die Nieren, alles tut höllisch weh. Ich suche in meiner Tasche nach den starken Schmerzmitteln und nehme mehr als genug davon. Nach und nach wird es besser. Erleichtert schlafe ich wieder ein. Wie schön, wenn der Schmerz nachlässt!

Doch dann wache ich erneut auf. Mit einem metallischen Geschmack im Mund. Oder ist er nur eisenhaltig? Ich spüre, dass es in meinen Magen gepumpt wurde. Dort kann ich auch die Galle spüren. Ich will es ausspucken, doch die Beine versagen, als ich erneut zur Toilette gehen will. Es ist schrecklich. Ich habe den Eindruck innerlich zu brennen und spüre, wie die Schmerzen anrollen. In Schüben. Wie eine Welle an Land kommen sie daher. Unaufhaltsam wie das wogende Meer rollen sie an. Es kommt einfach, mit solch einer Kraft, dass ich es nicht aufzuhalten vermag. Sobald ich fühle, dass eine solche Welle anrollt atme ich hinein, wie bei den Geburten meiner Kinder. Welle um Welle rollt an. Doch dann überrollen sie mich, ich kann es nicht mehr aushalten, verliere die Kontrolle. Sie sind nun so stark, dass ich mich vor Schmerz krümme. Meine Beine sind wie abgestorben. Ganz kalt. Alle Wärme konzentriert sich nun auf den Bauch. Ich spüre die Wärme und wie sie zur Hitze wird. Dann das Glühen. Ich fühle es. Und spüre die Präsenz von Mi´Chael. Er steht da und schaut mich an. Durch seine Augen sehe ich das Licht der Sterne, wie sie im samten Dunkel der Nacht glitzern. Er sagt nichts. Kein Lächeln ist in seinem Gesicht. Ich habe das Gefühl zu verbrennen. Die Glut des Flammmenmeeres ist stark. Es brennt. Verbrennt es mich? Ist es Zeit nach Hause gehen? Ist er deshalb da oder geht es darum, dem standzuhalten? Die nächste Welle überrollt mich. Ich winde mich vor Schmerz und schreie laut auf. Das ist mir in meinem bisherigen Krankheitsverlauf noch nie passiert.

Guido wacht darüber auf. Und erschreckt sich über meinen Zustand sehr. Es ist mir total arg, dass er das jetzt mitbekommt. Ich versuche es herunterzuspielen, mich zusammenzureissen und mich zu beherrschen. Stückweit gelingt es mir auch, bis mich dann die jeweils nächste Welle erreicht. Er hält seine Hand an die Bauchspeicheldrüse und schenkt mir Healing touch. Er macht darin eine Ausbildung und kam gerade von einem Intensivkurs, wo er nochmals sein Wissen verstärkt und intensiviert hat, auch mit Körperübungen den Körper gestärkt hat. Diese Eindrücke des Kurses, die Erfahrungen, das dort sich Erarbeitete ist noch ganz frisch und das Healing Touch hatten mir die Tage über bereits sehr geholfen. Ich nehme es dankbar an, auch wenn es mir total arg ist, ihn mit dem Ganzen hier so zu belasten. Ich spüre, dass es sehr anstrengend ist und wie viel Kraft und Energie es braucht, um dem entgegen treten zu können. Wie viel Arbeit es bedeutet, so viel Energien bereit zu stellen, sie durchlaufen zu lassen, durchzuströmen aber je mehr er hineingeht, desto mehr kommt durch. Ich kann die Energien spüren. Und ich kann sie sogar annehmen. Warum? Keine Ahnung, ich kann es einfach. Vergangenheit ist vergangen. JETZT ist was zählt. JETZT. Die Zukunft wird aus dem JETZT geboren. Ich bin wach, präsent, stell mich, lasse geschehen, nehme an. Dann sehe ich Sai Baba. Wie wir durch ein Band, in dem Energie hin und herfließt miteinander verbunden sind. Und Mi´Chael. Ich sehe sein Schwert. Ich spüre, wie sich etwas in mir löst. Und wie er sich in den Bauch ergießt. Es tut wahnsinnig weh. Wir werden sterben. Wir werden beide sterben. „Nein. Es ist ein Austausch. Es geht um Leben UND Tod.“ sagt Mi´Chael. Guido hilft mir ins Bad zu kommen. Er hält mich, als ich Blut erbreche. Viele Stunden vergehen so. Draußen beginnt es bereits zu dämmern. Der Muizzin ruft zum Gebet. Es ist so tröstlich. Die Schmerzwellen verebben langsam. Wir sind total erschöpft und schlafen bereits, als draußen die Sonne aufgeht und am Himmel aufsteigt.

Ich wache auf und weiß, dass mir Leben geschenkt wurde. Ich kann das nicht erklären, doch ich weiß es einfach. Ich sehe Sai Baba: Seine Augen sind geschlossen. Er hat keine Schmerzen. Ich bin so erleichtert, dass er keine Schmerzen hat und sage zu Guido: „Wenn Sai Baba gehen möchte, von mir aus kann er das. Er hat solche Schmerzen, ich habe erlebt. wie sich das anfühlt heut Nacht. Es ist unmenschlich und egoistisch von den Menschen, ihn halten zu wollen, nur weil man das so möchte. Er hat so viel gegeben. Es ist mehr als genug.“ Wir gehen hinunter und sitzen am Tisch. Es ist Ostern. Von der Kirche aus der Church Street sind ganz viele Menschen da um nach dem Gottesdienst nun im Restaurant zu frühstücken. Männer mit ROSENKRÄNZEN (!) um den Hals. Frauen in prachtvollen Sonntagssari´s mit Goldkreuzen um den Hals. Draußen wird Stück für Stück von oben herab die Hainbuche gefällt. Wir sehen es und es tut mir weh. Wir fahren mit einer Rigscha in den Tempel zum beten. Dort erreicht uns um halb drei nachmittags eine SMS aus Deutschland. Guido liesst zuerst und wird bleich. Er gibt sie mir zum lesen. Es steht da geschrieben, wie „froh man darüber ist, dass wir in jenem Land weilen, in dem Sai Baba seinen physischen Körper verlassen hat.“ Ich verstehe das erst gar nicht. Als ich dann die Worte verstehe muss ich weinen. Es schmerzt mich. Doch dann sehe ich wieder das Bild von heute Morgen, wie ich Sai Baba mit geschlossenen Augen sah, ganz entspannt und wie er ohne Schmerzen war. Sai Baba ist um acht Uhr Ortszeit gestorben.

Und ich stehe da – und lebe – „ich schenke Dir mein Licht.“ sagte er. Ich bin unter Schock.

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